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Bewerbungs-Freestyle

1 Okt

„Duhu…?!?“ sage ich.
„Jahaaaa?!?“ fragt er (Böses ahnend).
„Ich hab da ja diese Bewerbung, ne?!?“
„Jahaaaaa!!!!“ sagt er (noch Böseres ahnend).
„Und das ist ja alles nicht so schön, wie ich das so gemacht habe!“ ergänze ich, und versuche, dabei eine süße Grimasse zu ziehen, so eine, bei der man(n) dahinschmilzt und nicht anders kann, als mir zu helfen.
Scheint gelungen zu sein.
„Was hast du denn da genau?“ fragt er.
„Ja, diesen Lebenslauf halt. Und der müsste noch mal schön gemacht werden, also, inhaltlich hab ich das ja…“

Und das habe ich auch.
Tabellarisch aufgelistet jede einzelne meiner bisherige Tätigkeiten; es sind derer viele.
In Word.
WORD!!!
Das kann ein Wirtschaftsmathematiker und IT-Profi natürlich nicht verantworten.
Dass seine Freundin einen Lebenslauf in WORD abgibt.
Die Falle schnappt zu!
Das Ding wird überarbeitet!

„Wir machen dir das mal ein bisschen professioneller, als pdf!“ sagt er.
„Gut!“ sage ich, die dieses Internet auch noch mit dem Internet Explorer besucht (und habe keine Ahnung, was dieses pdf-Ding genau bedeutet). „Mach mal, wie du meinst, du kannst das sicher besser als ich!“
Er: „So, wie ich meine? Ohne, dass du bei jeder zweiten Änderung sagst: Ja, aber…?!?“
Ich: „Klar!!! Aber zeig mir, wie das genau geht, ich will das ja auch lernen!“
Neugierig schaue ich über die Schulter. In der Kopfzeile erscheint: Curriculum Vitae.
„Äh!“ sage ich.
Er: „Was?!?“
Ich: „Warum schreibst du das so?“
Er: „Klingt gut!“
Ich: „Nee. Klingt scheiße!“
Er: „Hast du mir nicht eben versprochen, nicht bei jeder zweiten Änderung…“
Ich: „Ist auch die erste Änderung. Und außerdem wusste ich auch nicht, dass du meinen „Lebenslauf“ „Curriculum Vitäääää“ nennst. Das ist mindestens Wegfall der Geschäftsgrundlage!“
Er: „Gerade ihr Juristen habt es doch so mit Latein!“
Ich: „Ja, aber ich bewerbe mich auf eine Stelle, die für eine Sozialwissenschaftlerin ausgeschrieben ist. Und außerdem hast du doch vorher gesagt, die Bewerbung soll nach MIR klingen.“
Seufzend ändert er die Kopfzeile wieder in „Lebenslauf“.
Ich nicke zufrieden.

Bei den persönlichen Daten erhebe ich keinerlei Protest.
Bei den bisherigen Tätigkeiten frage ich nach, ob man Aushilfe an der Käsetheke (1998-2001) nicht netter formulieren kann.
„Cheese Manager“ oder wenigstens „Käsethekenfachangestellte“.

Irgendwann kommen wir bei den Interessen an.
„Was soll denn da hin?“ fragt er.
„Ja, weißte doch, kennst mich doch!“ antworte ich.
„…außer Telefonieren und Shopping!“ sagt er.
Ich: „Achsojaklarhm!“
Er (schreibt) „Reisen“:
Ich: „Äh?!`“
Er „Ja- nicht?!?“
Ich: „Najaaa…“
Und denke daran, dass es mich regelmäßig in riesigen Stress versetzt, meine eigenen 4 Wände zu verlassen.
Fahren wir ein Wochenende nach Berlin, habe ich
a) 2 Koffer und 1 Reisetasche plus diverse Stoffbeutel dabei, weil ich ja nicht weiß, was wir so machen werden (möglicherweise fahren wir ja Kanu auf der Spree oder werden spontan auf einen Opernball eingeladen), wie das Wetter so wird (auch im Juli sollen die Temperaturen in Deutschland ja manchmal unter 0 fallen, weswegen es einer Skihose und Schneestiefeln bedarf, vorsorglich!)
b) leide ich im Auto bis mindestens Magdeburg unter akuter Panik, Herd, Glätteisen oder Kaffeemaschine könnten meine Wohnung in Brand setzen
c) habe ich die permanente Sorge, mich nicht verständigen zu können („Wir fahren nach Berlin, nicht nach Tokio!“ „Ja, aber die sagen zu Brötchen ja auch „Schrippen“…“)

Allerdings, klar, Urlaub generell finde ich eher gut.
Also bleibt „Reisen“ stehen.

„Tanzen!“ ergänze ich.
Er guckt mich irritiert an. „Tanzen???!!!???“
Ich: „Ja, klar! Ich hab Orientalischen Bauchtanz bei der VHS gemacht. Drei Kurse! Und Flamenco. Und Freien Tanz für Körper, Geist und Seele!“
ER: „Ja, aber du KANNST das doch nicht.
Ich (kleinlaut) „Aber mein Discofox war nach der Schützenfestsaison gar nicht soooo schlecht!“
Er: „Du hast da gemacht, was du willst, und dich nicht führen lassen!“
Ich: „Ich bin halt Mia Wallace!“
Wir lachen, und lassen „Tanzen“ weg.
Er (schreibt): „Singen.“
Ich: „?!?!?Merkste selbst?!?!?“
(Ich singe gerne, zugegebenermaßen. Und bei Singstar, so ab dem zweiten Glas Sekt, bin ich dann auch der festen Überzeugung, es zu KÖNNEN).
Wir ändern „Singen“ in Musik. Immerhin spiele ich ja Querflöte. Gar nicht ganz so schlecht.

Nachdem ich mich habe überzeugen lassen, dass „Kindergeschichten schreiben“ einen zukünftigen Arbeitgeber möglicherweise nicht überzeugen wird, mich für juristische oder sozialwissenschaftliche Tätigkeiten einzustellen und wir das ganze unter den Oberbegriff „Literatur“ subsumiert haben (ich schreibe und lese ja auch sonst alles, was sich so anbietet, und bin immerhin stolze Eigentümerin einer Bibliothek mit ca 2000 Büchern), schließen wir die Kategorie „Hobbies“ und damit auch die Bewerbung ab.

Ich bin zufrieden.
Alles in allem ist mein Curriculum Vitae ja gar nicht so uninteressant. Auch ohne Kindergeschichten.
Und es ist eine pdf-Datei.

Und wenn ich es zu einem persönlichen Gespräch schaffen sollte, kann ich ja dort auch immer noch meine Freestyle-Discofox-Choreo vortanzen.
Sofern es sinnvoll erscheint.